Als Luise, eine zur Freundin gewordene Austauschschülerin aus Gävle, planmäßig ihre Gastfamilie wechselte und in den Norden von Schweden umzog, haben wir beschlossen, dass ich sie mal im hohen Norden, und für mich ist das wirklich weit im Norden, besuchen müsste. Angesichts der einwöchigen Sportferien, eigentlich soll man Skifahren oder anderen Sport machen, haben wir entschieden, diese Ferien für einen Besuch zu nutzen. Hannah, eine Freundin von uns aus Norwegen und auch eine deutsche Austauschschülerin, hatte zufällig in derselben Woche Ferien. Also verabredeten wir uns für Montag in der 8. Woche des Jahres in Luleå am Flughafen. Wer nicht weiß, wo Luleå liegt, im Norden – ich erwähnte es bereits, in der Nähe der finnischen Grenze.
Am Montag reisten wir also nach Luleå. Nach zwei Flügen und einem tierischem Druck auf den Ohren war ich dann endlich da. Eine Woche mit Leuten reden, die genauso verwirrt sind wie ich. Das Sprachwirrwar aus allen uns zur Verfügung stehenden Sprachen war für außenstehende vermutlich sehr schwer zu verstehen. Die Mischung aus Deutsch, Bayrisch, Sächsisch, Kölsch, Schwedisch, Norwegisch und Englisch kann lustig sein, nicht immer, aber wir haben uns saugut verstanden. Gut das kein Lehrer zugehört hat. Es ist echt komisch, wenn sich die Sprachen und Dialekte zu einem Brei verschmelzen. Und ja, die Dialekte haben nicht wirklich stattgefunden, klingt aber im Hirn hier beim Schreiben lustig. Manchmal sitzt man da und lacht, weil man es geschafft hat drei Sprachen zu mischen, oder weil norwegisch so komisch klingt, aber dann mit dem Schwedischen doch so ähnlich ist, dass wir beiden Schwedenmädchen doch fast alles verstanden haben.
Nächstes Thema – Kälte. Ich verstehe gar nicht, warum alle in Deutschland gerade so rumheulen wegen etwas frischeren Temperaturen.
Richtige Kälte habe ich hier in Luleå erleben dürfen, richtige Kälte. Wir hatten hier unter -25° Grad. Das war mal kalt. Auf dem kurzen Fußmarsch zur Schule sind mir die Wimpern eingefroren. Aber weiße Mascara hat auch irgendwie was. Für alle, die noch nicht so extreme Temperaturen erlebt haben eine Erklärung meiner Gefühle – man atmet gegen eine Wand, oder etwas festes ein, erst schmerzt das Gesicht ziemlich, später nicht mehr so viel, dann ist es kalt. Auch frieren durch die ausgeatmete Luft die Haare, die Wangenhaare und der Schal ein, alles nicht sehr lustig. Wenn man durch ein Tuch atmet, gefriert das auch und der warme Schutz wird zur Wand. Brillenträger, da war noch was, Brillen mit Metallgestellen sind da oben keine gute Idee. Die Bügel frieren an der Haut an. Das ist nicht Lustig. Und auch Kontaktlinsen können einfrieren. Das ist noch weniger lustig. Für eine Woche sicherlich alles eine Erfahrung wert, aber ob ich das einen ganzen Winter schaffen würde? Vermutlich gewöhnt man sich an die Kälte und es ist halb so schlimm, aber nach einer Woche habe ich noch so meine Zweifel, dass ich das schaffen möchte.
Leider hab ich keine Elche oder Rentiere gesehen, wie meine Gastmama, die beruflich wenige Wochen vorher in Luleå unterwegs war. Dafür aber hatten wir unschlagbares Wetter. Kein Niederschlag und durchgehend Sonne.
Was machen jetzt drei Mädchen im kalten Norden? Schnell haben wir erkannt, dass Aktionen draussen keine so gute Idee waren bzw. wir nicht lange durchhalten konnten. Aber es gibt ja auch alternative Dinge, die einen erfreuen. Stellt euch einfach mal 3 Mädchen vor und den Plan einer die Haare zu färben. Allerdings nur eine Anleitung auf schwedisch, welches von allen anwesenden nicht perfekt beherrscht wird, also die Sprache. Nun ja, nach einer lustigen Zeit zwischen Hoffnung und „Morgen rasieren wir einfach die Haare ab“, ist das Ergebnis dann doch sehr ansehnlich geworden. An alle Mitlesenden, die jetzt schon Angst um meine Haare bekommen haben, das ist unbegründet. Alles noch naturfarben nur deutlich kürzer. Aber dazu vielleicht später mehr.
Luise hatte in der Woche keine Ferien. Daher sind Hannah und ich am Donnerstag zusammen mit einem Austauschschüler aus Italien, ja hier scheint es dann doch noch weitere Austauschschüler zu geben, in eine alte Stadt etwas außerhalb Luleås gefahren. Diese Stadt ist ein altes Kirchdorf, Weltkulturerbe so steht es am Eingang mit Visitorcenter und allem Schnick Schnack. Vor rund 1000 Jahren haben hier die Menschen um die Kirche herum circa 600 Hütten gebaut. Alle rot mit weißen Fensterläden, wie man sich das so für Schweden vorstellt. Die Häuser sind meistens unbewohnt. Wenn die Menschen aus dem Umland hier in die Kirche gingen, brauchte man ja ein Haus mit Ofen und einem Bett, manche mit Stall für die Pferde. Autos wurden ja erst nach dem Bau der Häuser erfunden. #klugscheißermodusOFF. Ein bizarres Bild so eine Geisterstadt, aber echt niedlich.
Ein running Gag war, dass ich als jemand, die aus einer Region kommt, wo es keinen Schnee gibt, die ganze Zeit ausgerutscht bin. Ich versteh es immernoch nicht, meine Schuhe hatten Profil, also richtige Winterprofilschuhe. Aber trotzdem bin ich nur durch die Gegend gerutscht.
Mittlerweile bin ich wieder in Skåne angekommen und der Winter ist eingebrochen. Nachdem man gesehen hat, wie souverän hier im Norden mit dem Schnee umgegangen wird, ist es spannend zu sehen, wie hier die Welt untergeht. Ich will jetzt nicht sagen, dass hier in Skåne wenig Schnee fällt und alle Südschweden überreagieren, aber dadurch das hier nur Pulverschnee fällt und ein Sturm (im rheinischen Sinne – der Frosch hat keine Locken mehr) über das Land fegt, gibt es einige Schneewehen (das Wort musste mir erstmal jemand wieder beibringen). Und was macht Schneewehen so besonders? Es liegt ein riesiger Haufen Pulverschnee einfach auf der Straße rum und lässt niemanden vorbei. Am nächsten Tag ist der Haufen dann ein paar 100 Meter weiter. Und es gibt nicht einen Haufen, die treten im Rudel auf und ärgern alle die keinen Trecker haben. Manchmal auch welche mit Trecker. Denn durch einen Schneehaufen mit zwei Meter Höhe fährt auch kein Trecker mehr durch. Das mach dann nur noch FUUUUUMMMM und aus ist der Trecker. Nein – ich habe das nicht versucht, keine Angst. Aber dieses Bild ist gut für einen Comic und passt hier super ins Bild.
6. Juni 2018 um 11:44 Uhr
AAAAAAH als ob ich das jetzt erst gesehen habe. Ich Schlafmütze. Aber echt toller Eintrag. <3 Will nur noch mal an alle Außenstehenden anmerken, dass ich nicht bayrisch rede(n kann)…