Dass so ein Austauschjahr eine besondere Erfahrung für alle Beteiligen sein wird, war uns von Anfang an klar. Allerdings hatten wir keine Ahnung, was da so alles auf uns zukommt. Nach drei Monaten ist die räumliche Trennung von einem Familienmitglied immer noch nicht einfach. In der Vorbereitung auf das Abenteuer Austauschjahr wurde uns empfohlen nicht zu telefonieren, haben wir fast geschafft, aber auch so wenig wie möglich an Kontakt über Skype, E-Mail oder andere Medien zu halten. Das würde bei den Gasteltern als „einmischen“ und „störend“ empfunden und störe den Eingewöhnungsprozess. Aha.
Das sehen wir mittlerweile etwas anders. Eigentlich empfinden wir den Entwicklungsstand unseres Kindes, darf man überhaupt noch Kind sagen?, als „fast fertig“ und selbständig genug, um so ein Jahr im Ausland verbringen zu können. Aber wir haben gelernt, dass viele Kleinigkeiten Fragen aufwerfen, die wir im normalen Zusammenleben einfach schnell mit einem Augenzwinkern und Nicken entschieden und abgestimmt haben. Das ist uns erst durch die Trennung bewusst geworden. Oft half es unser Tochter ein Gefühl für eine Situation zu entwickeln. Das funktioniert so nicht mehr über 1600km.
Wenn wir solche Fragen über einen Chat kurz abstimmen, soll das die Gastfamilie stören? Nicht wirklich.
Uns wurde vermittelt, dass unsere Tochter Ansprechpartner vor Ort habe, die bei Problemen immer da sind und weiter helfen. Im Prinzip richtig. Nur ist das im wahren Leben dann doch nicht so einfach. Eine Vertrauensbasis ist nicht so schnell hergestellt, wie es müsste. Die Zuversicht, dass die Betreuer vor Ort sich im Sinne der Familie für unsere Tochter einsetzen, muss erarbeitet werden. Das geht nicht in einer so kurzen Zeit. Die Austauschschüler müssen auf einmal in einer kurzen Zeit viele Entscheidungen selber treffen können. Viele dieser Entscheidungen wurden bisher mit der Familie abgestimmt und beraten. Eine Übernahme dieser, wie wir finden, wichtigen Funktion durch die Gastfamilie und die lokalen Betreuer funktioniert nicht so schnell wie es eigentlich müsste.
„Soll ich mir das Busticket online mit der Keditkarte kaufen oder lieber nicht.“
So eine Fragestellung wäre hier höchstwahrscheinlich mit einem Nicken nonverbal beantwortet worden. Auf die Entfernung ist das nicht mehr möglich und löst in Schweden eine kleine Kopfkirmes aus. Und so eine Frage im Familienchat soll jetzt störend sein? Das kann doch nicht wirklich sein. Ganz im Gegenteil, es hilft beí unserer Tochter ungemein ein Gefühl zu entwickeln, was man einfach mal macht und wo man besser aufpassen sollte. Das hat nichts damit zu tun, dass wir nicht loslassen können oder wollen, vielmehr möchten wir unser Kind in dieser Entwicklungsphase weiter unterstützen. Und wir können auch verstehen, dass man nicht alles immer in einer fremden Sprache mit noch nicht so vertrauten Menschen besprechen möchte.
Was wir versuchen zu unterlassen, meistens haben wir das auch geschafft, zu fragen wie es in der Schule läuft, oder „isst du auch genug“ oder „hast du dir auch die Zähne geputzt“ oder oder oder. Das muss alleine geschafft werden. Wir freuen uns über Bilder und Berichte und versuchen diese nicht aktiv „anzufordern“. Auch halten wir beim Sonntagsfrühstück keinen Platz absichtlich frei für unser Kind. Andere Eltern von Austauschschülern machen das wohl, so wurde uns das berichtet. Das ist uns zu schräg.
Es steht nun eine aufregende Zeit bevor. Wechsel der Gastfamilie und der Schule – und bevor jetzt wieder Panik in die Gesichter der Leser kommt, das war so geplant und es gibt keinen anderen Grund, ausser dass es von Anfang an so sein sollte – die Zeit des Jahreswechsel mit Weihnachten und all der Gefühlsachterbahnzeit. Wie wir, also wir drei hier in Köln und die vier in Schweden, damit klar kommen, muss sich noch zeigen. Aber wir hier in Köln sind zuversichtlich, dass wir alle auch das hinbekommen. Wie, wir werden es erleben.
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